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© Johannes Lang

Innovation zum Schutz von Weidetieren

Wölfe und Weidetierhaltung schließen einander aus? - Das muss nicht sein!

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Dass Wölfe wieder durch Deutschland streifen ist mit Sicherheit eine Herausforderung für die Weidetierhaltung, aber es ist kein unlösbares Problem. Über Jahrhunderte schaffte es der Mensch seine Weidetiere - teils mit drastischen Maßnahmen - vor dem Wolf zu schützen. Selbstverständlich ist es heute nicht mehr möglich und nicht sinnvoll viele dieser Methoden aus vergangenen Zeiten anzuwenden, um den Wolf von Weidetieren fernzuhalten. Naturschutz- und Tierschutzrechte setzen dem klare und sinnvolle Grenzen.

Weidetierhalter können heute im Gegenzug auf eine Kombination althergebrachter Methoden und modernster Technik zurückgreifen. Herdenschutzhunde und elektronische Schutzzäune sind dafür zwei sehr gute Beispiele. Trotzdem sind die aktuellen Schutzmaßnahmen nicht immer ausreichend, selbst wenn sie alle behördlichen Vorgaben erfüllen (Heindl in Hackländer 2019). Außerdem verursachen die Haltung und Ausbildung eines Herdenschutzhundes oder die Installation und Wartung weitgehend wolfssicherer Elektrozäune sehr viel zusätzliche Arbeit. Insbesondere in der Wanderschäferei ist der einfache Auf- und Abbau für den Schäfer unerlässlich, da es mitunter täglich erfolgen muss. In anderen Fällen ist das Aufstellen eines Elektrozauns nach behördlichen Vorgaben zum Schutz vor Wölfen aufgrund der örtlichen Geländestrukturen gar nicht möglich. Das Projekt LUPUS REPEL arbeitet an der Lösung dieser Probleme: mehr Sicherheit für Weidetiere, kaum Mehraufwand für die Halter und Einsetzbarkeit in jedem Gelände.

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In LUPUS REPEL wird nach Duftstoffen gesucht, die den Wolf alarmieren und den Eindruck von Gefahr vermitteln. Werden diese Duftstoffe entlang von normalen oder elektrischen Zäunen platziert, entsteht ein weiterer, ein unsichtbarer Duftzaun (wissenschaftlich "olfaktorische Barriere"). Ausgebracht und aufbewahrt werden die Duftstoffe in Dispensern genannten Behältnissen, die ein Verströmen des Duftes zulassen und nachfüllbar sind. Diese Dispenser können einfach an bereits bestehende Zaunpfähle oder separat installiert werden.

Während der Forschung wird darauf Wert gelegt, dass die Duftstoffe weder die Weidetiere noch den Wolf nachhaltig schädigen und umweltverträglich sind. Es bietet sich die Möglichkeit eine schonende, effektive und wenig arbeitsaufwendige, also wirtschaftliche, Alternative oder Ergänzung für Weidetierhalter zu schaffen. LUPUS REPEL soll in Kombination mit Zäunen aller Art und im besten Fall sogar ohne Zaun einsetzbar sein. Bei einer Anwendung ohne Zaun könnten die Dispenser als einzeln stehende Pfähle ausgebracht werden, was sich in extrem unwegsamen Gelände anbietet.

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Im ersten Projektteil von LUPUS REPEL werden wirksame Duftstoffe in einem Wolfsgehege anhand der Reaktion der Tiere ausfindig gemacht. Dabei steht eine zuverlässige und dauerhafte Vergrämung im Vordergrund. Wissenschaftlich werden solche vergrämenden Duftstoffe als Repellent bezeichnet. Ein Repellent kann ein einzelner Duftstoff oder eine Kombination verschiedener Konzentrate sein. Erste wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit von Repellents liegen bereits vor. Dabei konnten Wölfe mithilfe eines Duftzauns am Betreten von bestimmten Gehegebereichen gehindert werden.

Aufbauend darauf versucht LUPUS REPEL in weiteren Versuchen im Wolfsgehege, die wirksamsten Repellents zu identifizieren und ein Dosis-Wirkungs-Optimum zu bestimmen: Wie viel Repellent ist nötig, damit die beste und zugleich dauerhafteste Wirkung erzielt wird?

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Im zweiten Projektteil werden die Duftstoffe im praktischen Einsatz mit Weidetieren getestet. Hier werden die Dispensersysteme optimiert und die Reaktion der Nutztiere auf das Repellent beobachtet.

Hier werden zudem Fragen untersucht wie: Welche Dispenser und welche Trägermaterialien eignen sich am Besten? Wie schützt man das Repellent vor der Witterung so, dass die Wirksamkeit möglichst lange anhält? In welchem Abstand müssen die Dispenser angebracht werden, um einen lückenlosen Duftzaun aufzubauen?

Das Verhalten der Weidetiere und ihre Reaktion auf die Repellents werden ebenfalls beobachtet und analysiert. Die Duftstoffe oder Duftstoffkombinationen mit der besten Balance aus Wirksamkeit und Verträglichkeit für die Weidetiere werden in diesem praxisnahen Teil des Forschungsprojektes unter realen Bedingungen getestet und optimiert. LUPUS REPEL beschreitet mit diesem Ansatz völlig neue Wege. Die Idee, mithilfe von Repellents Wölfe von Weidetieren fernzuhalten, ist weltweit eine Innovation. Das könnte eine Möglichkeit sein die Weidetierhaltung in unserer Kulturlandschaft mit freilebenden Wölfen zu vereinbaren. Die Weidetierhaltung ist ein kulturelles Erbe und zugleich eine Form der Tierhaltung, die dem Tierwohl entgegenkommt. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist die Weidetierhaltung ebenfalls von großer Bedeutung. Weidetiere halten wertvolle Naturschutzflächen offen und verhindern ihre Verbuschung, viele Naturschutzprojekte greifen auf die Wirkung der "natürlichen Rasenmäher" zurück (Bunzel-Drüke et al. 2015). Das schafft Lebensräume für viele Pflanzen- und Tierarten, die es ohne Beweidung nicht gäbe (Schley & Leytem 2004). So verfangen sich etwa Pflanzensamen und Insekten im Fell von Weidetieren und werden von ihnen auf neue Flächen transportiert, die auf diese Weise besiedelt werden. Im Kot der Weidetiere werden ebenfalls Samen transportiert und gleichzeitig wird dieser von Mistkäfern und anderen Insekten genutzt, die wiederum eine Nahrungsgrundlage für viele Vogelarten der Kulturlandschaft sind. Das sind nur einige Beispiele für den ökologischen Nutzen der Weidetierhaltung.

Auch ökonomisch birgt die Weidetierhaltung großes Potenzial, z.B. in der Milchproduktion (Peter & Taube 2018) oder der Pflege der Deiche in Norddeutschland, dort halten grasende Schafe die Grasnarbe kurz und gesund. Die Weidetierhaltung sollte in unser aller Interesse erhalten bleiben. Sie ist ein Kulturgut, dient dem Erhalt vieler Lebensräume in der Kulturlandschaft und birgt gleichzeitig ein ökonomisches Potential.

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LUPUS REPEL arbeitet an einer Möglichkeit die Weidetierhaltung weiterhin wirtschaftlich zu betreiben und zugleich dem Wolf, einem der letzten großen Beutegreifer in Europa, einen Platz in unserer Kulturlandschaft einzuräumen.

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Literatur:

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Bunzel-Drüke, M., C. Böhm, G. Ellwanger, P. Finck, H. Grell, L. Hauswirth, A. Herrmann, E. Jedicke, R. Joest, G. Kämmer, M. Köhler, D. Kolligs, R. Krawczynski, A. Lorenz, R. Luick, S. Mann, H. Nickel, U. Raths, E. Reisinger, U. Riecken, H. Rößling, R. Sollmann, A. Ssymank, K. Thomsen, S. Tischew, H. Vierhaus, H.-G. Wagner & O. Zimball (2015): Naturnahe Beweidung und NATURA 2000 - Ganzjahresbeweidung im Management von Lebensraumtypen und Arten im europäischen Schutzgebietssystem NATURA 2000. – Heinz Sielmann Stiftung, Duderstadt. xxx S.

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HACKLÄNDER, K. (2019): Der Wolf im Spannungsfeld von Land- & Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Artenschutz - Leopold Stocker Verlag GmbH, Graz, 215 Seiten

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PETER, T. & TAUBE, F. (2018): Abschlussbericht Optimiertes Weidemanagement - smart grazing, Europäische Innovationspartnerschaft "Produktivität und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft" (EIPagri), Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 37 Seiten

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SCHLEY, L. & LEYTEM, M. (2004): Extensive Beweidung mit Rindern im Naturschutz: eine kurze Literaturauswertung hinsichtlich der Einflüsse auf die Biodiversität - Bulletin Société des naturalistes luxembourgeois 105: 65-85

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© Jaqueline Ringeisen
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